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Presseinformation

Dresden, 14. November 2011

Gesellen- und Facharbeiterabschlüsse nicht entwerten lassen! 
Sächsischer Handwerkstag: Politik muss Stellenwert deutscher Berufsabschlüsse europaweit mehr verteidigen / Unternehmen auch künftig auf qualifizierte Fachkräfte angewiesen

In der Diskussion um eine im internationalen Maßstab vermeintlich zu geringe Abiturienten- bzw. Studierenden-Quote in Deutschland hat der Sächsische Handwerkstag die Regierenden in Bund und Land aufgefordert, den Wert von Gesellen- und Facharbeiterabschlüssen stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. „Fundament für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft sind und bleiben unsere hochqualifizierten Fachkräfte. Und für Menschen mit einem qualifizierenden Berufsabschluss gibt es auch künftig einen wesentlich höheren Bedarf“, wie der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Roland Ermer, am Montag vor der Presse in Dresden sagte.

In einem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kürzlich vorgestellten Bericht heißt es, in Deutschland würden zu wenig junge Menschen studieren. So hätten andere Staaten in den vergangenen zehn Jahren die Zahl von Studenten und Hochschulabsolventen weitaus stärker steigern und den Anteil von Geringqualifizierten stärker reduzieren können als die Bundesrepublik.

Mit Blick auf dem OECD-Bericht appellierte Ermer an die Politik, bei derartigen Vergleichen europaweit deutlich stärker mit dem „Pfund“ von dual ausgebildeten Fachkräften zu wuchern. Die dieser Tage von der Bundesregierung gestartete Informationskampagne „Berufliche Bildung – praktisch unschlagbar“ sei ein erstes Signal, um zunächst innerhalb Deutschlands mehr Aufklärung zu erreichen.

Als größten Vorzug der von Unternehmen und Staat gemeinsam gestalteten Ausbildung bezeichnete der Präsident die „passgenaue Qualifizierung“, indem Theorie und Praxis höchst effektiv miteinander verknüpft würden. Diese Ausbildungsform orientiere sich sowohl an individuellen Talenten von Menschen als auch am Bedarf der Unternehmen. Ob auch ein Hochschulstudium – ohne lückenlose Rückkopplung zur Praxis – eine solche Qualifizierung gewährleiste, sei fraglich, so Ermer unter Verweis auf die relativ hohe Studienabbrecher-Quote in Deutschland.

Ein eindeutiges Bekenntnis zu den auf hohem Niveau ausgebildeten Gesellen und Facharbeitern erwartet der Handwerkstag von der Politik ebenso im Zuge des Paradigmenwechsels im deutschen Bildungssystem.

Mit der Einführung des sogenannten Deutschen Qualifikationsrahmens sollen Menschen künftig nur noch an ihren Kompetenzen gemessen werden. Dabei sollen die jeweiligen Fähigkeiten und Fertigkeiten einer Person in einem europaweit geltenden achtstufigen Qualifikationsrahmen abgebildet werden – von Stufe eins (Erfüllung einfacher Anforderungen) bis Stufe acht (Fähigkeit zu eigenständiger wissenschaftlicher Arbeit, in der Regel nachgewiesen durch Promotion). Ziel dabei ist es, bei Berufsabschlüssen und Qualifikationen innerhalb Europas mehr Transparenz und Mobilität zu erreichen.

Als weitgehend unstrittig gilt diesbezüglich die Einordnung des Meister- und des Bachelor-Abschlusses auf Stufe sechs. „Dies begrüßen wir, würde doch so der Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung Rechnung getragen“, erklärte der Handwerkstag-Präsident.

Handwerk fordert: Abitur darf nicht besser gestellt werden als Berufsabschluss

Auf Unverständnis und Ablehnung im Handwerk dagegen stößt die bislang starre Haltung der deutschen Kultusminister, die das Abitur (Zuordnung auf Stufe fünf) höher eingestuft sehen wollen als den Großteil der dualen Berufsbildungsabschlüsse (Zuordnung auf Stufe vier).

Ermer: „Für uns ist die Haltung der Kultusministerkonferenz weder inhaltlich noch bildungspolitisch nachvollziehbar. Das Abitur darf nicht besser gestellt werden als jeder Berufsabschluss. Eine quasi Abwertung von Gesellen- und Facharbeiterabschlüssen in der öffentlichen Wahrnehmung werden wir nicht tatenlos hinnehmen.“

Der Spitzenrepräsentant des Sachsen-Handwerks forderte daher die am nationalen Qualifikationsrahmen beteiligten Akteure eindringlich auf alles zu unternehmen, um doch noch einen tragfähigen Kompromiss zu erreichen. „Aufgrund des demografischen Wandels hat das Handwerk ohnehin große Mühe, geeigneten Berufsnachwuchs zu finden. Da muss uns die Politik nicht zusätzlich Steine in den Weg legen.“

Pressekontakt:
Sächsischer Handwerkstag
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Frank Wetzel,
0351/4640 510
0351/4640 511

www.handwerkstag-sachsen.de

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