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Presseinformation

Dresden, 4. Juni 2012

Politik muss Umsatzsteuer endlich reformieren!
Sächsischer Handwerkstag: „Unübersichtliches Regelungs-Gestrüpp“ / Kein Verständnis für Untätigkeit der CDU/CSU-FDP-Regierungskoalition in Berlin 

Angesichts der zunehmenden Verunsicherung bei der Anwendung des Umsatzsteuerrechts in Teilen von Handwerk und Mittelstand hat der Sächsische Handwerkstag an die Regierenden in Berlin appelliert, die Versprechen zur Vereinfachung des Steuersystems endlich einzulösen. Zwar hätten Union und FDP seit dem Regierungsantritt 2009 wiederholt Reformbedarf im Umsatzsteuerrecht eingeräumt. „Doch Substanzielles herausgekommen ist bisher nichts“, wie Handwerkstag-Präsident Roland Ermer am Montag vor der Presse in Dresden kritisierte.

Für die Untätigkeit der Politik beim „unübersichtlichen Regelungs-Gestrüpp“ Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer) infolge „schier endloser Ausnahme- und Sonderregelungen“ spricht laut Ermer, dass Arbeitstreffen der hierzu berufenen Reform-Kommission immer wieder abgesagt wurden. Zudem habe offenbar auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Hoffnung auf eine Erfolg versprechende Reform des Umsatzsteuersystems noch in der laufenden Legislatur inzwischen begraben.

„Wir Unternehmer aus Handwerk und Mittelstand aber meinen, dass endlich etwas passieren musss“, so der sächsische Handwerkspräsident. Deutschlands Umsatzsteuersystem gleiche mittlerweile einem „Bürokratiemonster, das immer absurdere Blüten treibt“ und Unternehmer von ihren eigentlichen Aufgaben – nämlich unternehmerisch tätig zu sein, Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen – zunehmend abhalte. Dies sei unbefriedigend und völlig inakzeptabel.

Beispiele für Ungereimtes und Groteskes im deutschen Umsatzsteuerrecht

Als augenfälliger Beleg für „ein unstrukturiertes, intransparentes Umsatzsteuersystem“ gilt die Liste mit Waren und Dienstleistungen, die dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent unterliegen. Dabei könnten Betriebe – wie etwa die der Gesundheitshandwerke – häufig nicht mehr klar unterscheiden, ob für eine Leistung der volle oder der ermäßigte Umsatzsteuersatz zugrunde zu legen ist.

So können etwa im Augenoptikerhandwerk beim Verkauf von Lupen oder Bildschirmlesegeräten sowohl sieben als auch 19 Prozent Mehrwertsteuer anfallen – je nach Verwendungsart der Produkte. Die ermäßigte Mehrwertsteuer wird fällig, wenn z.B. Lupen für Sehbehinderte bestimmt sind und deren Sehfähigkeit verbessern sollen. Soll jedoch ein derartiges Gerät z.B. zur Prüfung von Materialien oder bei Restaurierungsarbeiten zum Einsatz kommen, muss der volle Mehrwertsteuersatz berechnet werden.

„Der Optiker ist also verpflichtet, bei Geräten mit unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten jeweils vorher die genaue Verwendungsart zu erfragen, damit letztlich der ´richtige` Mehrwertsteuersatz angesetzt wird“, erläuterte der Präsident. – Mit ähnlichen Fällen müssen sich Orthopädietechniker beim Verkauf von orthopädischen Bandagen herumschlagen.

Geradezu für aberwitzig halten z.B. Bäcker und Konditoren eine Vorschrift, wonach sogar Spenden von Lebensmitteln umsatzsteuerpflichtig sind (§ 3 Abs. 1b Umsatzsteuergesetz – „unentgeltliche Wertabgabe“). „Wenn ich also als Bäckermeister meine bis Ladenschluss nicht verkauften Brötchen und Kuchen einer gemeinnützigen Einrichtung, z.B. einer Tafel, schenken möchte, muss ich darauf sieben Prozent Umsatzsteuer zahlen. Würde ich stattdessen die noch einwandfreien Lebensmittel vernichten, ginge der Fiskus leer aus“, sagte Emer, der im ostsächsischen Bernsdorf bei Hoyerswerda Inhaber einer eingesessenen Handwerksbäckerei ist.

Reformbedürftig ist das derzeitige Umsatzsteuer-Wirrwarr aus Handwerkssicht nicht zuletzt, weil bestimmte Regelungen – vom Gesetzgeber ursprünglich als Schritt zum Bürokratieabbau gedacht – wider Erwarten auch wettbewerbsverzerrende Wirkungen entfalten.

Beispiel Kleinunternehmerregelung (§ 19 Umsatzsteuergesetz). Kernaussage hier: Wer als Unternehmer eine bestimmte Umsatzgrenze pro Jahr nicht überschreitet, muss keine Umsatzsteuer abführen. Der Haken dabei: Inzwischen stellen immer mehr regelbesteuerte Handwerksunternehmer (z.B. im Friseur- sowie im Bauhandwerk) fest, dass so manche Existenzgründer – ggf. mit eigenen Familienangehörigen – bewusst mehrere kleine Unternehmen anmelden, um die ihnen die Umsatzsteuer sparende Sonderregelung immer wieder neu in Anspruch nehmen zu können…

Vgl. auch Presseinformation „Das aktuelle Stichwort: Umsatzsteuer (Mehrwertsteuer)

Pressekontakt:
Sächsischer Handwerkstag • Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Frank Wetzel,
0351/4640 510
0351/4640 511

www.handwerkstag-sachsen.de

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