Berlin/Dresden, 9. April 2014
Gegen Abwertung der Meisterqualifikation im
Handwerk
Sächsischer Handwerkstag: Qualifikationsgebundenen Zugang im
Handwerk erhalten! / Meisterbetriebe bringen volkswirtschaftlich
messbaren Nutzen
In der Debatte um die von der EU-Kommission veranlasste Überprüfung von Berufen mit besonderen Zugangsvoraussetzungen in den EU-Mitgliedsländern hat der Sächsische Handwerkstag an die deutschen Politiker appelliert, volkswirtschaftliche und arbeitsmarktpolitische Effekte zulassungspflichtiger Handwerke europaweit offensiver herauszustellen. Berücksichtigt werden sollten dabei auch Erkenntnisse und Erfahrungen der vor zehn Jahren unter Rot-Grün in Kraft gesetzten Reform des Handwerksrechts, wie der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Roland Ermer, vor Bundestagsabgeordneten des Freistaats am Mittwochabend in Berlin erklärte.
Aus Handwerkstag-Sicht hat die Novellierung des Handwerksrechts seit 2004 zwar die Zahl der Neueintragungen von Betrieben – vor allem im Bereich der jetzt als zulassungsfrei erklärten Handwerke – deutlich emporschnellen lassen. Von einem nachhaltigen Wachstum des Wirtschaftsbereichs könne dennoch nur bedingt die Rede sein. „Was Bestandsfestigkeit und Ausbildungsleistung betreffen, hat das Handwerk durch den Wegfall der Meisterpflicht in 53 Gewerken an Wirtschaftskraft sogar eingebüßt“, stellte Ermer fest. Umso mehr gelte es jetzt, sich im Schulterschluss mit der deutschen Politik auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene „einer weiteren Abwertung der Qualifikationsstrukturen im Handwerk wirksam entgegenzustellen“.
Einen Beleg für Negativ-Effekte der Handwerksreform von 2004 liefert z.B. die Entwicklung bei Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern: Seit man auch ohne Meistertitel einen Fliesenlegerfachbetrieb eröffnen kann, hat sich die Zahl der Neugründungen zumeist kleinster Betriebe (Ein-Mann-Betriebe) mehr als verdoppelt. Die Hälfte derartiger Neugründungen aber ist mangels betriebswirtschaftlicher Kenntnisse des Inhabers bereits nach fünf Jahren wieder vom Markt verschwunden.
Hinzu kommt, dass kaum ein neu gegründeter Fliesenlegerfachbetrieb noch gewillt ist, in die Aus- oder Fortbildung eines Mitarbeiters zu investieren. Vielen Betriebsleitern fehlen zudem die notwendige Befähigung und Berechtigung zur Ausbildung, da sie selbst keinen Meisterbrief haben.
Hatten im Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk z.B. 2004 in ganz Sachsen noch 40 Kandidaten erfolgreich ihre Meisterprüfung bestanden, so wurden hier 2013 lediglich noch 2 Absolventen registriert. – Demgegenüber erhöhte sich in Sachsen die Zahl eingetragener Betriebe bei den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern saldiert von 1.805 (Ende 2004) auf mittlerweile 4.477 (Ende 2013).
Übertragen lassen sich die Befunde für dieses Gewerk in der Tendenz auch auf andere, seit 2004 als zulassungsfrei erklärte Handwerke – d.h. auf jene, für die der Meistertitel bzw. eine vergleichbare Qualifikation des Betriebsleiters zur Gewerbeausübung gesetzlich zwar nicht mehr vorgeschrieben, aber weiterhin möglich ist (z.B. Raumausstatter, Gebäudereiniger, Textilgestalter, Maßschneider).
„Wenn also solide Meisterbetriebe als Arbeitgeber und Ausbilder in Stadt und Land immer stärker zugunsten von wie Pilze aus dem Boden schießenden Ein-Mann-Unternehmen vom Markt verdrängt werden, muss sich dies letztlich auch nachteilig auf die Wirtschaftskraft des Handwerks als Ganzes auswirken“, resümierte der Handwerkspräsident. „Dies kann in der deutschen Politik eigentlich niemand wollen.“
Hintergrund:
Der Sächsische Handwerkstag ist die größte Landeshandwerksorganisation im Osten Deutschlands, vertritt derzeit mehr als 59.000 Betriebe, in denen annähernd 350.000 Menschen arbeiten. Rund ein Drittel aller Handwerksbetriebe der neuen Länder (ohne Berlin) ist damit allein in Sachsen ansässig.
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