Dresden, 16. Juni 2014
Meisterqualifikation im Handwerk europaweit
verteidigen!
Sächsischer Handwerkstag: Meisterbetriebe bringen
volkswirtschaftlichen Nutzen / Erfahrungen der Handwerksrecht-Novelle
2004 berücksichtigen
Mit Blick auf die von der EU-Kommission veranlasste Überprüfung von Berufen mit besonderen Zugangsvoraussetzungen in den EU-Mitgliedsländern hat der Sächsische Handwerkstag die Bundesregierung aufgefordert, sich auch auf europäischer Ebene deutlich zum Meisterbrief „als qualifikationsgebundenem Berufszugang im deutschen Handwerk“ zu bekennen. Bezug genommen werden sollte dabei auf Erkenntnisse der Umsetzung der 2004 in Kraft getretenen Novelle des Handwerksrechts, wie der Vizepräsident des Sächsischen Handwerkstages, Dietmar Mothes, am Montag vor Medienvertretern in Dresden erklärte.
Aus Handwerkssicht hat das novellierte Handwerksrecht – anteilig vor allem bei den jetzt zulassungsfreien Handwerken – in Sachsen zwar zu einem deutlichen Anstieg der Zahl neu eingetragener Betriebe geführt (von insgesamt 50.962 Betrieben Ende 2003 auf 59.658 bis Ende 2013). Von einer Stärkung des Wirtschaftsbereichs als Ganzes „mit nachweislich volkswirtschaftlichen Effekten“ könne aber nur bedingt die Rede sein. An Wirtschaftskraft habe das Handwerk „unterm Strich eher eingebüßt“, sagte Mothes. Indizien dafür seien eine bis heute weitgehend konstant gebliebene Zahl der Beschäftigten sowie eine seither anhaltende Tendenz bei der Anmeldung von Ein-Mann-Betrieben (ohne Angestellte) im sächsischen Handwerk.
Belege für diese Effekte der Handwerksrecht-Reform 2004 liefern vorrangig die zulassungsfreien Handwerke (Anlage B1 Handwerksordnung). Nach Erkenntnissen des Sächsischen Handwerkstages bringt das Gros der seit 2004 hinzugekommenen Betriebsinhaber dieser Gruppe keine oder nur geringe fachliche und betriebswirtschaftliche Kenntnisse mit. Damit fehlen vielen dieser Betriebe von vornherein die Befähigung und die Berechtigung zur Ausbildung von Berufsnachwuchs. Abgeschwächt hat sich zugleich die Fortbildungsbereitschaft.
Beispiel Fliesen-, Platten- und Mosaikleger (seit 2004 zulassungsfrei): Waren in diesem Gewerk 2003 in Sachsen insgesamt 757 Betriebe gemeldet, so schnellte die Zahl dieser Betriebe innerhalb von zehn Jahren saldiert auf immerhin 4.477 empor. – Während bei den Fliesenlegern in ganz Sachsen 2003 noch 46 Handwerker den Meistertitel erwarben, waren es 2013 noch zwei Absolventen.
Wurden in qualifizierten Fliesenlegerbetrieben Sachsens 2003 noch 40 Neu-Lehrverträge für eine duale Berufsausbildung registriert, so waren es 2013 noch 17.
Übertragen lassen sich die Befunde bei den Fliesenlegern in der Tendenz auch auf die anderen zulassungsfreien Handwerke – also auf jene, für die zur Gewerbeausübung ein Meisterbrief bzw. eine vergleichbare Qualifikation zwar nicht mehr vorgeschrieben, aber weiterhin möglich ist (z.B. Raumausstatter, Fotografen, Gebäudereiniger).
Besonders hohe Bestandsfestigkeit bei zulassungspflichtigen Handwerken
Dass parallel dazu Unternehmen der zulassungspflichtigen Handwerke (Anlage A Handwerksordnung) trotz einer geringeren Wachstumsrate – gerade auch als Arbeitgeber und Ausbilder – volkswirtschaftlich stärker ins Gewicht fallen, zeigt das Resultat einer Analyse zur Bestandsfestigkeit sächsischer Handwerksbetriebe, die 2004 gegründet wurden:
So sind knapp 70 Prozent der Existenzgründungen auf Meisterbrief-Basis auch nach sechs Jahren am Markt – eine im Vergleich mit Unternehmen anderer Wirtschaftszweige überdurchschnittlich hohe Überlebensrate. Am Markt weniger stabil dagegen sind offenbar zulassungsfreie Handwerke. Die Überlebensrate derartiger Unternehmen liegt nach sechs Jahren nur bei etwas über 50 Prozent.
Handwerkstag-Vizepräsident Mothes: „Die besonders hohe Bestandsfestigkeit zulassungspflichtiger Handwerke macht deutlich, dass Deutschland mit dieser Art Qualitätsstandard-Sicherung und Verbraucherschutz ein beispielhaftes Modell geschaffen hat. Dies gilt es zu bewahren. Die Politik ist daher gut beraten, die volkswirtschaftlichen Stärken dieser Handwerksgruppe als Reservoir für solide Existenzgründungen und gut ausgebildeten Berufsnachwuchs wieder mehr in den öffentlichen Fokus zu rücken.“
Hintergrund: Nach einem von der EU-Kommission im Herbst 2013 veröffentlichten Plan zur „Bewertung der nationalen Reglementierungen des Berufszugangs“ haben alle EU-Länder ihre Ausbildungs- und Qualifizierungsvorgaben zu überprüfen und Berufszugangsbeschränkungen zu begründen. In Deutschland betrifft dies u.a. die 41 zulassungspflichtigen Handwerke. – Nach eigenen Angaben will die Brüsseler Behörde damit nationale Wettbewerbsbeschränkungen im EU-Binnenmarkt erkennen und beseitigen. Konkrete Beschlüsse auf EU-Ebene sind bis 2015/2016 zu erwarten.
Der Sächsische Handwerkstag ist die größte Landeshandwerksorganisation im Osten Deutschlands und vertritt derzeit mehr als 59.000 Betriebe, in denen annähernd 350.000 Menschen tätig sind.
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