Dresden, 3. Juni 1998
Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt wirksamer vorbeugen!
Handwerk: Schattenwirtschaft vor allem durch eine grundlegende Reform des Steuern-
und Abgabensystems den Boden entziehen
Für eine berechenbare Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, die stärker die Belange der Steuern und Sozialabgaben zahlenden gewerblichen Unternehmen berücksichtigt, hat sich der Sächsische Handwerkstag ausgesprochen. Deutlich mehr Transparenz auf dem im Osten Deutschlands besonders angespannten Arbeitsmarkt sei bezüglich des "zweiten Arbeitsmarktes" sowie beim Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung geboten, sagte Handwerkstag-Präsident Wolfgang Rühlig am Mittwoch vor der Presse in Dresden.
Rühlig äußerte Verständnis dafür, daß in gesellschaftspolitisch und konjunkturell schwierigen Zeiten zeitweise auch arbeitsmarktpolitische Instrumente wie Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) unvermeidlich sind, warnte aber zugleich davor, durch öffentlich geförderte Arbeit in ABM und sogenannten Beschäftigungsgesellschaften die Wirkungsfelder der Privatwirtschaft unverhältnismäßig zu beschneiden. Statt dessen müsse der mit der Reform des Arbeitsförderungsrechts vom April 1997 fixierte Vorrang von ABM-Vergaben an Wirtschaftsunternehmen unbedingt beibehalten werden.
Nach Erkenntnissen des Handwerks gehen in Sachsen mehr und mehr Kommunen dazu über, Aufträge wie Maler- und Reinigungsarbeiten an eigene Beschäftigungsgesellschaften statt an Handwerksbetriebe auf dem freien Markt zu vergeben. "In der Konsequenz gehen dem Handwerk dadurch Aufträge verloren. Schlimmstenfalls müssen Betriebe sogar Beschäftigte entlassen, die dann angesichts der schwierigen Arbeitsmarktsituation nur noch hoffen können, über den Umweg einer ABM wieder ins Arbeitsleben zurückgeführt zu werden", so der Präsident. - Als Beispiel für derartige Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt nannte er die in kommunaler Trägerschaft befindliche ABM-Gesellschaft "bfb Betrieb für Beschäftigungsförderung" in Leipzig, in der nahezu alle handwerklichen Bau- und Ausbauberufe sowie das komplette Kfz-Handwerk zu finden seien.
Dem Vernehmen nach will die Leipziger bfb-Gesellschaft, der laut Stadtetat pro Jahr 170 Millionen Mark aus Steuermitteln zur Verfügung stehen, als inzwischen größter Arbeitgeber der Stadt sogar die Zahl der in eigener Regie beschäftigten Arbeitslosen bis Ende des Jahres von derzeit knapp 5000 auf 7500 aufstocken.
Rühlig mahnte die Politik zu mehr Konsequenz bei dem Vorhaben, den regulären Arbeitsmarkt langfristig zu stärken. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte der Bund den finanziell schwach ausgestatteten ostdeutschen Kommunen Geld für Investitionen, z.B. für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, zur Verfügung stellen. Auf diese Weise könnten gewerblichen Unternehmen mehr Aufträge erteilt werden.
Um die Transparenz auf dem Arbeitsmarkt zu erhöhen, setzt sich der Sächsische Handwerkstag zudem für ein besser abgestimmtes Vorgehen von Politik, Wirtschaft und Verwaltung im Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung ein. Nach Rühligs Angaben gingen bei den Handwerkskammern Dresden und Chemnitz in den ersten vier Monaten dieses Jahres jeweils etwa 80 Anzeigen wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit ein - zirka 15 % mehr als im Vorjahreszeitraum. Derartige Verstöße gebe es vor allem im Bau- und Ausbaugewerbe, wo 1997 etwa 10 - 15 % der Leistungen durch "schwarze Schafe" erbracht wurden. Dadurch entstünden in Sachsen jedes Jahr "nicht nur den Beschäftigten im legal tätigen Bau- und Ausbauhandwerk, sondern allen Steuerzahlern ein Schaden von rund einer Milliarde Mark".
Der Präsident kündigte an, daß die Handwerkskammern gemeinsam mit Innungen und Gewerbeämtern verstärkt gegen jene Leute vorgehen werden, die zwar offiziell mit einem handwerksähnlichen Gewerbe (z.B. im Holz- und Bautenschutz oder beim Einbau von genormten Baufertigteilen) gemeldet sind, in der Praxis jedoch illegal vollhandwerkliche Arbeiten ausführen, z.B. im Tischler-, Zimmerer- und Dachdeckerhandwerk. Dies betreffe in bestimmten Fällen ebenso die gesetzwidrige Ausführung handwerklicher Leistungen durch Arbeitsförderungs-, Beschäftigungs- und Strukturförderungsgesellschaften (ABS).
Aus Sicht des Handwerks bedarf es zur wirksamen Bekämpfung der Schattenwirtschaft vor allem einer unverzüglichen und gründlichen Reform des deutschen Steuern- und Abgabensystems mit dem Ziel einer Nettoentlastung für Unternehmen und Bürger. Im Zuge dieser Reform sollte der Mehrwertsteuersatz so aufgesplittet werden, daß z.B. auf lohnintensive Dienstleistungen niedrigere Mehrwertsteuer fällig werden als auf Produkte. Ebenso müsse über eine steuerliche Abzugsfähigkeit bestimmter Handwerksrechnungen nachgedacht werden.
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