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Presseinformation

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Dresden, 26. Februar 2002

EU-Osterweiterung: Sächsische Handwerker sehen noch immer mehr Risiken als Chancen
Handwerkstag-Studie: Gut informierte und bereits grenzüberschreitend tätige Unternehmer sehen EU-Osterweiterung zumeist gelassener entgegen

Mit Blick auf die offiziell für 2004 angepeilte Aufnahme weiterer Staaten, darunter Polen und der Tschechischen Republik, in die Europäische Union sind im sächsischen Handwerk die Hoffnungen auf neue Geschäftsfelder und günstigere Wettbewerbspositionen am Markt eher verhalten. Wie eine Studie des Sächsischen Handwerkstages zu erwarteten Auswirkungen der EU-Osterweiterung ergab, sehen 57 % der sächsischen Handwerker für ihren Betrieb derzeit mehr Risiken, nur 9 % mehr Chancen. 34 % der Befragten äußern sich in der Umfrage unentschieden, deren Ergebnisse Handwerkstag-Präsident Joachim Dirschka am Dienstag vor Journalisten in Dresden vorstellte.

Chancen für eine Belebung der Geschäfte infolge der EU-Osterweiterung sehen vor allem gut informierte und größere Betriebe sowie solche, die bereits Geschäftskontakte in Beitrittsländer haben. Dies betreffe vor allem Unternehmen aus den Bereichen Metall und Nahrungsmittel sowie dem handwerksähnlichen Sektor. Jene Unternehmer sehen zugleich einer Bedrohung durch ausländische Konkurrenten sowie durch Schwarzarbeit wesentlich gelassener entgegen als Handwerker, die sich bislang eher schlecht informiert fühlen und über keine grenzüberschreitenden Geschäftserfahrungen (hier insbesondere aus den Branchen Bau und Holz) verfügen.

Wie aus der Studie weiter hervorgeht, beurteilen größere sächsische Handwerksunternehmen die Lohn- sowie die Betriebskosten seltener als Nachteil, heben aber auch Faktoren wie „Service“, „Kundenzufriedenheit“ und „Flexibilität“ seltener als Vorteil gegenüber Unternehmen aus Beitrittsländern hervor. Lediglich bei den Kategorien „Produktqualität“ und „technischer Standard“ sehen sich große Unternehmen im Vorteil, mittlere Betriebe eher bei „Termintreue/Zuverlässigkeit“. Nachteile bei Lohn- sowie Betriebskosten gegenüber Wettbewerbern aus den Beitrittsländern befürchten überdurchschnittlich oft in Grenznähe ansässige sowie ältere Handwerksunternehmer, darunter aus den Bereichen Bau, Holz und Metall.

Auf die Frage „Bereiten Sie Ihr Unternehmen schon auf die EU-Osterweiterung vor?“ antworten nur 6 % der Befragten mit Ja, 94 % mit Nein. Erste Schritte zur Vorbereitung auf die EU-Osterweiterung (z.B. Suche nach Tätigkeitsfeldern und Kooperationspartnern, Teilnahme an Informationsveranstaltungen sowie an Unternehmerreisen) signalisieren bislang überwiegend große, grenzüberschreitend tätige Handwerksunternehmer. Während vor allem Handwerker aus der Gruppe der Glas-, Papier-, keramischen und sonstigen Gewerbe entsprechende Vorkehrungen getroffen haben bzw. an Geschäftskontakten in Beitrittsländer interessiert sind, halten sich Unternehmer aus den Bereichen Gesundheit, Nahrungsmittel und Textil auffallend zurück.

In puncto Markterschließung in Polen und Tschechien rechnen viele große Handwerksbetriebe mit bürokratischen Hürden, kleine Betriebe eher mit Problemen infolge unterschiedlicher Qualitätsstandards. In Grenznähe ansässige Handwerksmeister beklagen zumeist eine unzureichende Infrastruktur sowie Hürden durch ausländisches Vertrags- und Gesellschaftsrecht. Aber auch harter Preiswettbewerb, Sprachbarrieren, schlechte Zahlungsmoral, fehlende Marktinformationen sowie Probleme bei der Durchsetzung von Ansprüchen sind oft genannte Hemmnisse.

Die größten Defizite im sächsischen Handwerk gibt es offenbar beim derzeitigen Stand der Informationen über praktische Folgen der EU-Erweiterung. Laut Studie fühlen sich 46 % der Befragten über die EU-Osterweiterung schlecht, 34 % befriedigend, 4 % gut sowie 16 % überhaupt nicht informiert.

Überregional tätige Handwerksunternehmer äußern einen tendenziell größeren Informationsbedarf. Auf die Frage, welche Maßnahmen Sachsens Handwerker im Zuge der EU-Osterweiterung für besonders wichtig erachten, sprechen sich die Befragten vorrangig für eine Angleichung der gesetzlichen Regelungen, für mehr Informationen über Märkte in den Beitrittsländern sowie für eine höhere Transparenz der Gesetzeslage diesseits und jenseits der bisherigen EU-Außengrenze aus. Insbesondere im Grenzgebiet zu Polen und Tschechien beheimatete Unternehmer erwarten zudem Fördermittel sowie einen zielgerichteten Ausbau der grenzüberschreitenden Infrastruktur.

Zu Schlussfolgerungen aus der Untersuchung

In Auswertung der repräsentativen Erhebung kündigte Präsident Dirschka an, dass die Organisationen des sächsischen Handwerks, darunter vor allem die Handwerkskammern, ihr Informations- und Beratungsangebot bereits im laufenden Jahr deutlich ausbauen werden. Dazu gehörten u.a. Infotreffs und Unternehmerreisen in osteuropäische Länder ebenso wie eine Intensivierung von individuellen Außenwirtschaftsberatungen für Unternehmer.

An die Politik appellierte Dirschka, weitere Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich allmählich homogene Wirtschaftsräume herausbilden können. Aus diesem Grund gebe es zu Übergangsfristen und –stufen, vor allem für den freien Verkehr von Arbeitskräften und Dienstleistungen, keine Alternative.

„Klar dürfte sein, dass vor allem deutsche Unternehmen in den Grenzregionen beim sofortigen Abbau aller Schranken infolge des Gefälles bei Lohn- und Lohnnebenkosten einem drastisch verschärften Wettbewerbsdruck ausgesetzt wären. Allein entlang der insgesamt 566 Kilometer langen Grenze Sachsens zu Polen und Tschechien wären davon zirka 8.000 Handwerksbetriebe des Freistaates betroffen“, sagte Dirschka. Ebenso hätten Unternehmen aus den Beitrittsländern bei einem abrupten Übergang zum EU-Markt das Nachsehen, wenn etwa begehrte und hochspezialisierte Fachkräfte nach Deutschland abwanderten.

Darüber hinaus sprach sich der Handwerkstag-Präsident erneut dafür aus, für alle Marktteilnehmer verbindliche Standards in den Bereichen Produktsicherheit, Lebensmittelrecht, Gesundheits- sowie Umweltschutz zu schaffen. Nicht zuletzt komme es darauf an, in Sachsen die noch immer vorhandenen Defizite in der Verkehrsinfrastruktur zu beseitigen.

Zur Untersuchungsmethodik

Für die vom Sächsischen Handwerkstag und dem Ludwig-Fröhler-Institut, München, gemeinsam erarbeitete Studie zu Auswirkungen der EU-Osterweiterung auf das Handwerk wurden im Oktober/November 2001 insgesamt 5.166 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte Handwerksbetriebe aus ganz Sachsen schriftlich befragt. Die Rücklaufquote der verwertbaren ausgefüllten Fragebögen liegt bei 20 %.

Anliegen der Studie war es zu untersuchen, inwieweit sächsische Handwerksunternehmer bereits jetzt auf den EU-Beitritt Polens und der Tschechischen Republik vorbereitet sind und welche Unterstützung sie von der Politik und der Handwerksorganisation erwarten.

Pressekontakt:
Sächsischer Handwerkstag
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit,
Frank Wetzel,
0351/4640 510

www.handwerkstag-sachsen.de

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