Dresden, 18. November 2002
Handwerk leidet vor allem unter zu hohen Lohnnebenkosten
Handwerkstag: Stau bei Strukturreformen ist Kardinalproblem /
Über 10.000 Arbeitsplätze gingen 2002 bislang im sächsischen Handwerk
verloren
Mit Blick auf erwartete gesamtwirtschaftliche Wachstumsraten von nur 0,2 % im laufenden Jahr bzw. 1,0 % im Jahr 2003 (Jahresgutachten der „Fünf Weisen“) hat der Sächsische Handwerkstag die Bundesregierung aufgefordert, endlich die binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen zu verbessern. Einen tragfähigen Wirtschaftsaufschwung werde es in Deutschland erst geben, wenn auch die gravierenden strukturellen Defizite beseitigt sind, wie der Präsident des Sächsischen Handwerkstages, Joachim Dirschka, am Montag vor der Presse in Dresden erklärte.
„Statt lediglich darauf zu warten, dass der Weltkonjunkturmotor wieder anspringt, muss Deutschland als wirtschaftliches Schlusslicht in Europa jetzt die überfälligen Strukturreformen im Gesundheits-, Arbeitsmarkt- und Rentensystem in Angriff nehmen“, so der Präsident. Bislang beschränke sich die Berliner Politik vor allem auf konzeptionsloses Stopfen von diversen Haushaltslöchern. Von „Erneuerung – Nachhaltigkeit – Gerechtigkeit“, wie mit dem Titel des rot-grünen Koalitionsvertrages suggeriert werde, könne angesichts der inhaltlich getroffenen Vereinbarungen jedenfalls keine Rede sein.
Als besonders belastend für das am Binnenmarkt tätige personalintensive Handwerk wertete Dirschka die weiterhin ins Uferlose steigenden Lohnnebenkosten. Gerade aber in Zeiten konjunktureller Unsicherheit sei es nötig, der Bevölkerung mehr und nicht weniger Geld in den Taschen zu belassen – und zwar sowohl Arbeitnehmern als auch Selbstständigen und Unternehmern. Wenn ein Handwerksmeister heute z.B. einem Gesellen im Bauhandwerk (Ost) einen Brutto-Stundenlohn von 9,50 Euro zahle, dem Kunden aber – aufgrund der Vielzahl administrierter Nebenkosten – fast 27,00 Euro einschließlich Mehrwertsteuer in Rechnung stellen müsse, sage dies viel über den „unzumutbar teuren Faktor Arbeit in Deutschland“ aus.
Umso dringlicher erwartet das Handwerk von der Politik, die Abwärtsspirale endlich zu stoppen. „Wie sollen Unternehmen neue Arbeitsplätze schaffen, wenn sie noch stärker belastet werden? Wie sollen Bürger mehr Waren und Dienstleistungen konsumieren, wenn ihnen letztlich noch weniger Netto vom Brutto bleibt?“
Dirschka teilte in diesem Zusammenhang mit, dass zwischen Januar und Ende September 2002 im sächsischen Handwerk 1.217 Betriebe ihre Tätigkeit aus wirtschaftlichen Gründen aufgeben mussten. Rechne man den konjunkturell bedingten Arbeitsplatzabbau in den weiterhin am Markt tätigen Handwerksbetrieben hinzu, seien im sächsischen Handwerk allein in diesem Jahr bislang deutlich mehr als 10.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Im gleichen Zeitraum verringerte sich die Zahl der sächsischen Handwerksbetriebe saldiert um 524 auf jetzt noch 50.528.
Skeptisch äußerte sich der Handwerkstag-Präsident zu den von der Bundesregierung erwarteten Arbeitsmarkt-Effekten aus der Umsetzung des so genannten „Hartz-Papiers“. Zwar habe der Bundeskanzler immer wieder beteuert, die Vorschläge der Hartz-Kommission eins zu eins umzusetzen, doch stimmten vorliegende Gesetzentwürfe im Detail nicht mit den ursprünglichen Intentionen der Kommissionsmitglieder überein. Ein Beispiel sei die von der Kommission geforderte vollkommene Liberalisierung der Zeitarbeit. Per Gesetzentwurf sei jetzt zuerst verankert, dass auch Zeitarbeiter nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag bezahlt werden müssen. Damit jedoch werde der ursprüngliche Ansatz zunichte gemacht, Arbeitslose überhaupt erst einmal wieder in Arbeit zu bringen.
Einen wirksamen Beitrag zur Lösung der Strukturprobleme am Arbeitsmarkt, so Dirschka, vermag das Hartz-Konzept aus Sicht des sächsischen Handwerks kaum zu leisten. Nach wie vor gebe es Überregulierungen wie beim zwischenzeitlich wieder ausgeweiteten Kündigungsschutzgesetz auf Kleinbetriebe, beim gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit sowie beim 325-Euro-Gesetz.
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