Dresden, 24. April 2003
Meisterbrief im Handwerk kein Hemmschuh für Existenzgründer
Handwerkstag: Meisterbrief ist für wirtschaftliche Stabilität
und hohe Ausbildungsleistung im Handwerk maßgebliches Unterpfand
Mit Ernüchterung und Enttäuschung hat das sächsische Handwerk den jetzt bekannt gewordenen Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zur geplanten Novellierung der Handwerksordnung aufgenommen. „Enttäuscht sind wir besonders über den Wortbruch von Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement, der seit Ende November 2002 wiederholt öffentlich versichert hatte, sämtliche Reformschritte nur gemeinsam mit dem Handwerk und dessen Organisation abzustimmen und auf den Weg zu bringen.“ Das erklärte Handwerkstag-Präsident Joachim Dirschka am Donnerstag in Dresden. Von einer im Vorfeld zwischen Handwerk und Bundesregierung vereinbarten Zusammenarbeit könne also keine Rede mehr sein.
Hintergrund der Kontroverse zwischen Handwerk und Regierungspolitik ist vor allem die von der Politik forcierte Neuordnung der Handwerksberufe, wonach die Zahl der bisher 94 Handwerksberufe mit dem Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung zur Selbstständigkeit auf 32 gekürzt werden soll (Anlage A, Handwerksordnung). Bisher anerkannte Handwerksberufe wie Friseure, Klempner, Maler, Kürschner und Instrumentenmacher sollen künftig als zulassungsfreie Gewerbe in Anlage B der Handwerksordnung Eingang finden.
Dirschka stellte klar, dass auch Deutschlands Handwerk mit Blick auf die Strukturen in der Europäischen Union dafür wirke, seinen Teil zur Modernisierung der Handwerksordnung zu leisten. Dies betreffe etwa den von der Politik aufgegriffenen Vorschlag des Handwerks, das Inhaberprinzip aufzugeben. Danach soll nicht mehr zwingend sein, dass der Inhaber eines Handwerksbetriebes selbst den Meisterbrief erworben haben muss, um ein Gewerbe zu betreiben.
Gleichwohl warnt der Sächsische Handwerkstag vor Illusionen, durch eine gezielte Entwertung des Meisterbriefs zu deutlich mehr neuen Arbeits- und Ausbildungsplätzen zu kommen. Gerade weil die Führung eines Unternehmens neben hoher fachlicher Qualifikation vor allem unternehmerisches Know-how erfordere, sei es äußerst leichtfertig, künftig nur noch für etwa ein Drittel der bisherigen Handwerksgewerbe den Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung gelten zu lassen.
Nach Einschätzung des Handwerkstages ist darüber hinaus das hohe Niveau in der Aus- und Weiterbildung ein gewichtiger Grund dafür, am „Großen Befähigungsnachweis“ unter den bisherigen Bedingungen festzuhalten. Auch dafür habe sich der Meisterbrief als maßgebliches Unterpfand erwiesen. „Dies wird von der Politik bislang weitgehend ausgeblendet“, wie der Präsident unter Hinweis auf das vorliegende Ministeriumspapier sagte. – Jeder zehnte Beschäftigte im Handwerk sei ein Lehrling, allein in Sachsen würden derzeit 30.000 junge Leute ausgebildet. Die Ausbildungsleistung des Handwerks sei trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation sehr hoch.
Dirschka: „Die schwierige wirtschaftliche Lage des Handwerks hat nicht vorrangig strukturelle Ursachen, sondern ist Folge der Konjunkturflaute: Es fehlt an Nachfrage, öffentlichen Investitionen und Kaufkraft. Hohe Lohnnebenkosten, Steuern, Bürokratielasten sowie unstimmige gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen sind Ursachen für eine rückläufige Selbstständigenquote und unternehmerische Zurückhaltung, nicht jedoch der Meisterbrief als Voraussetzung selbstständiger Tätigkeit im Handwerk. Dies belegen 50 % der jährlich annähernd 2.000 Meisterabsolventen auch in Sachsen.“
Bis Ende 2002 sind seit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung in Sachsen mehr als 25.000 junge Handwerkerinnen und Handwerker zu Meisterehren gekommen, davon nahezu 1.600 allein im Jahr 2002. – Seit 1990 erhöhte sich die Zahl der Handwerksbetriebe im Freistaat um rund 10.000 auf mehr als 40.000. Einschließlich der handwerksähnlichen Gewerbe gibt es heute mehr als 50.000 Unternehmen im sächsischen Handwerk. Jeder fünfte erwerbstätige Sachse hat einen Arbeitsplatz im Handwerk.
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