Dresden, 3. Juni 2003
Zerschlagung des handwerklichen Mittelstandes verhindern!
Kabinettsentwurf zur Reform der Handwerksordnung stellt Tatsachen auf den
Kopf – Ausbildungsleistung und Verbraucherschutz werden völlig ignoriert
Unverständnis und Entsetzen im sächsischen Handwerk hat der von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement präsentierte Kabinettsentwurf zur Reform der Handwerksordnung ausgelöst. „Was hier als ´nachhaltige Modernisierung des Handwerksrechts` verkauft wird, zielt in der Praxis auf nichts anderes als auf eine Zerschlagung im Kern bewährter handwerklicher Strukturen. Dies wird für die gesamte Gesellschaft nachteilige Folgen haben“, wie Handwerkstag-Präsident Joachim Dirschka am Dienstag in Dresden erklärte. Große Hoffnung setze das Handwerk daher jetzt auf das angekündigte Alternativkonzept für eine reformierte Handwerksordnung, das Bayern gemeinsam mit unionsregierten Bundesländern vorlegen werde.
Besonders empört, so Dirschka, sei das Handwerk über die „völlig abwegige Begründung der rot-grünen Gesetzesvorlage“, mit der die Tatsachen auf den Kopf gestellt würden. „Jedermann weiß, dass nicht geltendes Handwerksrecht weitere Existenzgründungen, legale Beschäftigung und Ausbildung behindert, sondern dass dies auf die nun schon seit Jahren vorherrschende Konjunkturflaute sowie auf erstarrte politische Rahmenbedingungen zurückzuführen ist.“ Mit ständig neu aufgetürmten Abgaben- und Steuerlasten ersticke der Staat geradezu jegliche unternehmerische Initiative und verunsichere Verbraucher im Konsumverhalten.
Verwerflich ist aus Sicht des Handwerks nicht zuletzt die wiederholt kolportierte Behauptung der Bundesregierung, dem Handwerk und seiner Organisation gehe es mit der Kritik an dem rot-grünen Reformvorstoß lediglich um Verteidigung erworbener Besitzstände sowie um Marktabschottung. „Das ist blanker Unsinn!“, betonte der Präsident. Erneut stellte er klar, dass mit Blick auf europäisches Recht natürlich auch das deutsche Handwerk seinen Teil zur Modernisierung des Handwerksrechts leisten muss. Seit Wochen liege ein ausführliches Reformpapier des Handwerks auf dem Tisch, das aber bei der Politik nur ungenügende Beachtung gefunden habe. „Im Unterschied zu den Intentionen von Rot-Grün bezieht unser Reformansatz ebenso die von der Politik bislang stets gewürdigten Leistungen des Handwerks in der Berufsbildung sowie im Verbraucherschutz ein.“
Dass wegen der angespannten Lage auf dem Lehrstellenmarkt sowie zunehmender Bedeutung des Verbraucherschutzes gerade diese Aspekte für die Regierungspolitik kaum eine Rolle spielten, sei für das auf Qualität setzende Handwerk nicht nachvollziehbar, sagte der Präsident. Schließlich spreche das hohe Niveau in der Aus- und Weiterbildung maßgeblich dafür, am „Großen Befähigungsnachweis“ unter den bisherigen Bedingungen festzuhalten. Jeder zehnte Beschäftigte im Handwerk sei ein Lehrling, allein in Sachsen würden hier – trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation – derzeit 30.000 junge Leute ausgebildet.
Dirschka: „Tatsache bleibt: Die schwierige wirtschaftliche Lage im Handwerk ist in erster Linie Folge der anhaltenden Konjunkturflaute sowie einer verfehlten Abgaben- und Steuerpolitik mit insgesamt zu hohen Lohnnebenkosten. Mangel an Nachfrage, öffentlichen Investitionen und Kaufkraft sind Ursachen für eine rückläufige Selbstständigenquote im Handwerk, nicht aber vordergründig der Meisterbrief als Voraussetzung selbstständiger Tätigkeit. Eben darum machen sich von den jährlich annähernd 2.000 Meisterabsolventen in Sachsen nur knapp 50 % selbstständig, indem sie einen Betrieb neu gründen bzw. einen eingeführten übernehmen. Wir müssen also im gesamtgesellschaftlichen Interesse eine Zerschlagung des handwerklichen Mittelstandes unbedingt verhindern!“
Bis Ende 2002 kamen seit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung in Sachsen mehr als 25.000 junge Handwerkerinnen und Handwerker zu Meisterehren, davon nahezu 1.600 allein im Jahr 2002. – Seit 1990 erhöhte sich die Zahl der Handwerksbetriebe im Freistaat um insgesamt etwa 10.000 auf mehr als 40.000. Einschließlich der handwerksähnlichen Gewerbe gibt es heute mehr als 50.000 Unternehmen im sächsischen Handwerk. Jeder fünfte erwerbstätige Sachse hat einen Arbeitsplatz im Handwerk.
Hintergrund der Kontroverse zwischen Handwerk und Bundesregierung ist vor allem die von Rot-Grün angestrebte Neuordnung der Handwerksberufe, wonach die Zahl der bisher 94 Gewerbe mit dem Meisterbrief als Zugangsvoraussetzung zur Selbstständigkeit auf 29 gekürzt werden soll (Anlage A Handwerksordnung). Dies soll nach Auffassung von Rot-Grün nur noch für jene Handwerksberufe gelten, bei deren Ausübung Gefahren für die Gesundheit oder das Leben Dritter entstehen können. – Demgegenüber sollen bisher anerkannte Handwerksberufe wie Bäcker, Fleischer, Friseure, Maler, Kürschner und Instrumentenmacher künftig als zulassungsfreie Gewerbe in Anlage B der Handwerksordnung Eingang finden.
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