Dresden, 17. Februar 2000
Handwerk: Meisterbrief in Deutschland steht für
Qualitätsarbeit!
Überlegungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium ignorieren Fakten zur
volkswirtschaftlichen Bedeutung des Meisterbriefs
Massive Kritik an den heute öffentlich bekannt gewordenen Überlegungen aus dem Bundeswirtschaftsministerium, den Meisterbrief als Voraussetzung zur Führung eines Handwerksbetriebes weitgehend abzuschaffen, hat der Sächsische Handwerkstag geübt. Sollte der Meisterbrief als nachweislich erfolgreiches und zugleich stets flexibel praktiziertes Instrument der Wirtschaftspolitik in seiner bisherigen Form aufgegeben werden, käme es zu einer ernsthaften Schwächung des handwerklichen Mittelstandes in Deutschland, erklärte Handwerkstag-Präsident Wolfgang Rühlig am Donnerstag in Dresden. Ein "Verfall des anerkannt hohen Qualifikationsniveaus und Qualitätsstandards im Vollhandwerk" sei zwangsläufig die Folge.
"Außerordentlich bedauerlich ist es, dass die rot-grüne Regierungskoalition nach wie vor hartnäckig alle Fakten ignoriert, die die volkswirtschaftliche Bedeutung des Meisterbriefes untermauern", sagte der Präsident. Stattdessen werde wider besseren Wissens immer wieder die Behauptung kolportiert, dass durch das Festhalten am Meisterbrief Existenzgründungen behindert würden.
Bewusst unterschlagen wird laut Rühlig zum Beispiel immer wieder, dass Deutschlands Handwerk erst aufgrund der "einzigartigen institutionalisierten Qualifizierung zum Unternehmer" mit immerhin etwa 50 % von jährlich rund 40.000 Meisterabsolventen im Vergleich zu anderen Sektoren (z.B. Hochschulabsolventen: unter 10 %) eine überdurchschnittlich hohe Selbstständigenquote aufzuweisen hat. Die Selbstständigenquote läge noch höher, wenn junge Meisterabsolventen nicht durch die unverändert erdrückende Steuer- und Abgabenlast von einem Gang in die Selbstständigkeit abgehalten würden.
Volkswirtschaftlich und arbeitsmarktpolitisch bedeutsam sei ebenso, dass die Insolvenzquote im Handwerk nur halb so hoch wie in anderen Wirtschaftsbereichen ist.
Völlig unbeachtet bleibe darüber hinaus, dass gerade der Wirtschaftsbereich Handwerk in den zurückliegenden Jahren einen außerordentlich hohen Beitrag geleistet hat, um qualifizierten Berufsnachwuchs aus- und fortzubilden. Dieser vom Handwerk fachlich ausgebildete Nachwuchs habe sich im übrigen auch in vielen anderen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft bestens bewährt.
Rühlig erinnerte daran, dass der Meisterbrief seit 1990 auch in Ostdeutschland maßgeblich zum Aufbau wirtschafts- und beschäftigungspolitisch stabiler Existenzen im Handwerk beigetragen hat. So erhöhte sich die Zahl der Vollhandwerksbetriebe seit der deutsch-deutschen Wiedervereinigung allein in Sachsen um mehr als 12.000 auf derzeit annähernd 42.500. - Einschließlich der handwerksähnlichen Gewerbe gibt es im Freistaat heute mehr als 52.000 Unternehmen im Handwerk. Parallel dazu stieg die Zahl der Beschäftigten pro Handwerksunternehmen von durchschnittlich drei (im Jahr 1990) auf neun im Jahr 1999.
Hintergrund der Debatte sind Bestrebungen der rot-grünen Regierungskoalition, den Meisterbrief nicht mehr zur Bedingung für eine Selbstständigkeit im vollhandwerklichen Gewerbe zu machen. Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" vom 17. Februar 2000 soll das "Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung)" noch im laufenden Jahr so verändert werden, dass der Meisterbrief faktisch überflüssig wird. Nach bisherigen Planungen ist u.a. vorgesehen, Gesellen ab dem 40. Lebensjahr von der Pflicht zur Meisterprüfung zu entbinden, wenn sie einen Betrieb übernehmen wollen. Ebenso sollen junge Handwerker nach mindestens dreijähriger Beschäftigung in einem Handwerksbetrieb das Recht erhalten, die Firma auch ohne Meisterbrief zu übernehmen.
Aus Sicht des Handwerks erübrigt sich eine solche Regelung schon deshalb, weil die Handwerksordnung seit langem befristete Ausnahmebewilligungen vorsieht, z.B. um Betriebsübernahmen durch Gesellen, Meisterfrauen oder Existenzgründer aus der Arbeitslosigkeit heraus zu ermöglichen.
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