Dresden, 22. Juni 2004
Handwerksreform: Bislang ohne positive wirtschaftliche Effekte
Sächsischer Handwerkstag: Trend zur Dequalifizierung deutlich erkennbar /
Subventionierte „Ich AGs“ verzerren Wettbewerb
Die zum 1. Januar 2004 in Kraft getretene Novelle des deutschen Handwerksrechts hat nach Einschätzung des Sächsischen Handwerkstages wirtschafts-, bildungs- und arbeitsmarktpolitisch bislang keine positiven Effekte hervorgerufen. Zwar habe sich die Zahl der Handwerksbetriebe in Sachsen in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 313 auf 51.268 erhöht, doch gehe dies nicht mit einer Stärkung der Wirtschaftskraft einher, da die durchschnittliche Größe der Betriebe tendenziell abnehme. Zurückzuführen sei das saldierte Plus an Betrieben in erster Linie auf Eintragungen von nichtzulassungspflichtigen Handwerken (+ 391 Betriebe) in die Handwerksrolle.
Wie Präsident Joachim Dirschka am Dienstag vor der Presse in Dresden weiter mitteilte, komme für das Handwerk die Erhöhung des Betriebsbestands aufgrund der weggefallenen Qualifikationsanforderungen nicht unerwartet. Allerdings handele es sich bei den seit Jahresbeginn neu eingetragenen Betrieben weniger um echte Existenz-Neugründungen, sondern vielmehr um eine Erweiterung des Betätigungsfeldes bestehender Unternehmen. Die mit Abstand meisten Anmeldungen in der Gruppe der nichtzulassungspflichtigen Handwerke gab es sachsenweit im Beruf Fliesen-, Platten- und Mosaikleger. Es folgen die Berufe Gebäudereiniger, Raumausstatter und Damen-/Herrenschneider.
Als verheerend wertete Dirschka den „offenbar vom Gesetzgeber gewollten Abbau des Qualifikationsniveaus“ im Handwerk. So verfügten in Sachsen von den inzwischen 236 neu eingetragenen Betriebsgründern als Fliesen-, Platten- und Mosaikleger nur zehn über einen Meisterbrief, 34 zumindest über einen Gesellenabschluss, jedoch 192 über keinerlei entsprechende Qualifikation. Bestätigt werde diese Aussage durch einen ersten bundesweiten Trend, wonach generell nur ein Viertel aller Neugründer im Handwerk einen Meister- bzw. einen Gesellenbrief haben. „Ob diese Betriebe auf Dauer am Markt bestehen werden, darf ernsthaft bezweifelt werden.“ Zudem würden damit die Ausbildungsmöglichkeiten stark reduziert.
Erfreulich ist nach Auffassung des Handwerkstag-Präsidenten dagegen, dass die Gruppe der 41 zulassungspflichtigen Handwerke im ersten Quartal 2004 im Freistaat um 51 Betriebe (auf 35.417) gestärkt wurde. Zugänge gab es vor allem in den Berufen Maurer und Betonbauer, Elektrotechniker, Maler und Lackierer, Kfz-Techniker und Friseur. „Darüber hinaus sind wir froh darüber, dass die von den Regierenden in Berlin so eifrig betriebene Abwertung des Meisterbriefs bisher nicht dazu geführt hat, dass bei unserem Nachwuchs Lehrgänge zur Meistervorbereitung weniger gefragt sind.“
Weil die Gefahr aber nach wie vor groß sei, dass Qualität und Qualifikation im Handwerk auf der Strecke bleiben, unterstütze das sächsische Handwerk mit Nachdruck die bundesweite Imagekampagne des Handwerks „Meister wissen, wie´s geht“. Anliegen dieser Aktion ist es, den Meisterbrief in der Öffentlichkeit langfristig als Qualitäts- und Gütesiegel durchzusetzen und zugleich den qualifizierten Beschäftigten im Handwerk zu einem besseren Image zu verhelfen. Deutlich gemacht werden solle jedoch auch, dass der Meisterbrief neben Qualität und Verbraucherschutz vor allem für eine verlässliche Berufsausbildung junger Leute stehe, so Dirschka.
Mit einer Ausbildungsquote von durchschnittlich 10 % liegt das Handwerk in Deutschland weit vor allen anderen Wirtschaftsbereichen (in Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten z.B. beträgt die Quote 4,3 %). Allein im sächsischen Handwerk wurden seit Anfang der 90-er Jahre bislang mehr als 150.000 junge Leute für eine berufliche Laufbahn fit gemacht.
In deutlicher Form wandte sich der Präsident der Spitzenorganisation des sächsischen Handwerks gegen eine Zunahme der Wettbewerbsverzerrungen, wie dies seit längerem mit den staatlich subventionierten „Ich AGs“ geschehe: „Es ist eine Zumutung, von den knapp kalkulierenden und am Markt ohne Zuschüsse arbeitenden Handwerksbetrieben zu erwarten, dass sie stillschweigend die eigene Konkurrenz unterstützen, die ihnen mit subventionierten Preisen die Aufträge vor der Nase wegschnappt. Auf diese Weise werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, sondern bestehende gefährdet.“
siehe auch
Hintergrund: Novelle des Handwerksrechts 2004
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